„Sentire cum ecclesia“ – Kirchlichkeit heute - mit Prof. R. Siebenrock
30.03.2022 19:30 Uhr – 30.03.2022 21:00 Uhr › Online-Veranstaltung
Impuls und Gespräch mit Prof. Dr. Roman Siebenrock, Innsbruck
Prof. Siebenrock: „In den letzten Monaten habe ich erfahren, wie meine nüchterne aber selbstverständliche Kirchlichkeit zutiefst angefragt worden ist. Sollte sie nur noch darin bestehen, mich für diese Kirche zu schämen und daraus Kirchlichkeit als fundamentaler Protest leben? Verständlich, doch: Warum denke ich auch nicht einen Augenblick daran auszutreten?
An diesem Abend möchte ich mein Ringen aus der wörtlichen Interpretation des ignatianischen Mottos mit Ihnen teilen: Fühlen mit der Kirche, nicht sie bloß verteidigen, oder anklagen. Mit der Kirche bedeutet: Hinsehen – nicht verdrängen: Simon Petrus, Fels und Verräter, aber einer der weinen und umkehren kann; den Schatz des Evangeliums immer nur schattenhaft aber vielleicht doch getreu bezeugen zu können (LG 8); sich sehnen nach Vollendung, deshalb kann keine glaubende Person, den status quo der Kirche einfach hinnehmen; und in all diesem Wirrwarr jene Erfahrung zu berühren suchen, die im Epheserbrief uns verheißen bleibt: Die Treue Christi zu seiner Braut und deshalb auch zu mir. Dabei haben mich besonders begleitet: Karl Rahner, Henry de Lubac, H.U.v. Balthasar, Oscar Romero, Joseph Bernhart, natürlich John Henry Newman und – last but not least – Elisabeth Gössmann.“
- Theologie
Nachbericht
Drei Echos zum gelungenen Abend, wie wir mit der Kirche heute mitgehen können:
"„Sentire cum ecclesia“ - Kirchlichkeit heute, eine persönliche Sache. Prof. Dr. Siebenrock hat in exakt 45 Minuten erläutert, wieso er der katholischen Kirche treu bleibt. Ein wesentlicher Grund ist seine Dankbarkeit. Ihm ist wichtig, dass man die Kirche mit dem Herzen Jesu anschaut: klar, wahrhaftig und liebevoll! Der Referent verdeutlichte, dass die Kirche schon immer in der Diskrepanz zwischen Evangelium und Lebenspraxis stand, gerade auch wieder heute steht und wohl immer stehen wird: „ecclesia semper reformanda“ zielt auf Strukturänderung, ohne „membra semper reformanda“, Herzenserneuerung, wird der stetige Wandel kaum gelingen. Prof. Siebenrock sprach wie gewohnt sehr warmherzig, wertschätzend, äußerst kenntnisreich und offen. So beeindruckte sein Bild von Petrus: Der weinende Fels! Umkehr geht dem Glauben voraus! In der ebenfalls 45 Minuten dauernden Fragephase beantwortete Herr Siebenrock die Frage nach der Notwendigkeit von Kirche. Ohne Kirche gäbe es keine Erinnerung an Jesus! Ohne Kirche, also eine Art Institution, gibt es kein kulturelles Gedächtnis (Verweis auf Jan Assmann), allein mündliche Tradition dissipiert Wissen spätestens nach ca. 3 Generationen. Die Frage nach dem Gottesbild und einer stimmigen Struktur bewegte einige Teilnehmer und ließ Raum für einen eigenen Vortrag. Außergewöhnlich gelungen und anregend war die Vorbereitung des Vortrags, weil faszinierende Texte den Teilnehmer(Rahner, Weil, Amery, …) zugeleitet worden waren. Das Feedback ergab zweifelsfrei, dass Herr Siebenrock Geist, Verstand und Seele der Teilnehmer nachhaltig und begeisternd berührt und angeregt hat."
Ich bin ein Laie, 82 Jahre, geschieden und wieder verheiratet. Den Ausführungen konnte ich ziemlich gut folgen. Geblieben ist mir das Thema Dankbarkeit; eine solche empfinde ich sehr, sie ist mir ein Geschenk. Ich und wir alle benötigen die Institution Kirche, jedoch die Form (Klerikalismus) muss sich unbedingt ändern. Ich bin froh, durch Chiara Lubich gelernt zu haben, alle zu lieben, eben auch die Kirche!
Die Vielfalt der schon im Voraus übersandten Zitate, die theologische Weite der Argumentation und die mitgeteilte Lebenserfahrung waren für mich eine große Ermutigung, dass der von Papst Franziskus angestoßene und von vielen Mitglaubenden gewünschte Weg der Synodalität zu einer wirksamen Reform führen kann. Orientierung für eine Kritik, die zur Erneuerung der Kirche beiträgt, gaben mir folgende Ausführungen des Referenten: Die Not der Kirche kann ich mittragen im klaren Bewusstsein, selbst ein Teil des Problems und daher auf die Barmherzigkeit Gottes angewiesen zu sein; die Kirche ist zunächst passiv heilig, weil sie sich dem Beistand Jesu anvertraut; die Ungleichzeitigkeit gehört zu ihrer Vielfalt, ebenso die beschämende Erkenntnis, vor ihrem katholischen Auftrag zu versagen.
Aus dem beklagten Nebeneinander kann ein trinitarisch orientiertes Miteinander werden, in dem die verschiedenartigen Profile dieser zum Dienst an aller Welt beauftragen Gemeinschaft verschiedenartige suchende Menschen ansprechen und zum Mitleben gewinnen können. Die Dankbarkeit gegenüber der Kirche, deren kulturelles Gedächtnis mir die Botschaft Jesu mitteilt, gibt mir Hoffnung, die ich leben und weitergeben will, so gut ich es in aller eigenen Begrenztheit und Schwachheit vermag.
Meine im Fragenbogen mit „vielleicht“ angekündigte Stellungnahme ist doch ausführlicher ausgefallen, als ich ursprünglich beabsichtigt habe. „Wes´ das Herz voll ist,…“