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„Der Wink mit dem Zaunpfahl“ - Online-Bibelteilen in Corona-Zeiten

Erfahrungen eines Seelsorgers

29. Juni 2020

von Pfarrer Marcus Scheiermann, Bremerhaven

Ein solches Winken habe ich am Beginn des sogenannten Lockdowns erleben dürfen. In der letzten Märzwoche rief mich ein Mann, ein junger Familienvater, aus einer unserer Pfarreien an. Er erzählte mir von seiner Sehnsucht danach, einen Weg zu finden, um sich gerade in diesen Zeiten mit anderen über den Glauben austauschen zu können, um mit anderen gemeinsam aus der Quelle des Glaubens schöpfen zu dürfen. Trotz des Lockdowns.
Nur einen Tag später veröffentlichte unser Bischof, Pater Heiner Wilmer, ein Video auf der Homepage des Bistums Hildesheim mit einem Aufruf, neue Wege im gemeinsam gelebten Glauben zu entdecken. „Warum nicht mal ein Bibel-Teilen als Online-Konferenz versuchen?“, so fragte er. Als dann am selben Tag mich auch noch eine Frau hier aus Bremerhaven auf diese Videobotschaft des Bischofs ansprach, war mir klar: dieses Winken mit dem Zaunpfahl sollte ich vielleicht ernst nehmen.

So rief ich unseren Gemeindereferenten an, der nicht nur sehr kreativ sondern auch super versiert ist im Umgang mit den modernen Medien. Entstanden ist dann die Idee, zu einem Online-Bibelteilen im Rahmen einer Zoom-Konferenz einzuladen. Zwei Leute aus unserem Pfarrteam haben sich hingesetzt und ein entsprechendes Einladungs-Video gestaltet. Bereits in der folgenden Woche haben wir dann zum ersten Mal dieses Online-Bibelteilen durchführen können. Es waren über 15 Personen dabei - sehr viel mehr als wir vermutlich in den Zeiten vor Corona mit einem „analogen“ Angebot erreicht hätten.
Seit diesem ersten Angebot treffen wir uns jede Woche zu dieser Form des Bibelteilens mithilfe der modernen Medien. Die Gruppe ist inzwischen auf 20 Personen angewachsen, die sich regelmäßig Zeit nehmen, um sich gemeinsam auf einen Text aus der Heiligen Schrift einzulassen, um sich von den persönlichen Erfahrungen der vergangenen Woche zu erzählen, um sich gegenseitig zu versichern, wie die kommenden Schritte aussehen könnten.
Ich selber darf sagen, dass mich diese Treffen jedes Mal aufs Neue berühren und bestärken. In dem jeweiligen Austausch bin ich nicht der Pfarrer, von dem erwartet wird, dass er jetzt die relevanten Entscheidungen trifft – nein, ich bin Marcus, einer der Teilnehmenden, der genauso wie die anderen auch von den Erfahrungen aller beschenkt wird. Es hat sich ein Raum des Vertrauens für uns eröffnet, in dem es auch möglich ist, über sehr private Sorgen, Ängste und Hoffnungen zu erzählen. Eine mutmachende Erfahrung also, die wir weiterführen möchten.

Manchmal ist es entscheidend, not-wendig, das Winken des sprichwörtlichen Zaunpfahls wirklich wahrzunehmen…